Aus der Katgorie: Recherchieren

Literaturauswertung: Was ist zu beachten?

Jede akademische Arbeit beginnt damit, sich in den Stand der Forschung einzulesen und die Erkenntnisse, die bereits vorhanden sind, kritisch zu bewerten. Zwei Dinge müssen dabei vermieden werden: Zum einen sollten keine wesentlichen Beiträge zum Thema übersehen werden. Außerdem dient die Literaturauswertung nicht dazu, Zusammenfassungen der Artikel anderer Autoren aneinander zu reihen.

Wie stelle ich sicher, dass ich nichts „übersehen“ habe?

Wenn Sie sich schon läLiteraturauswertungnger mit einem Feld befassen, ist diese Frage etwas weniger brisant, da Sie die wichtigen Namen, Institute und Journals längst kennen. Für Studenten kann dieser Punkt eher zum Stolperstein werden. Leider gibt es keine Geheimtipps; Suchen und Lesen ist und bleibt Fleißarbeit. Die Recherche wird zusätzlich erschwert, wenn Sie sich ein ungefähres Feld ausgesucht haben, die exakte Fragestellung aber erst während oder nach Sichtung der Literatur festlegen wollen. Versuchen Sie stattdessen, insbesondere bei kleineren Arbeiten, die Hypothese möglichst frühzeitig zu definieren. Bei einer Internetrecherche ohne klares Ziel ist es allzu leicht, abgelenkt zu werden. Machen Sie sich nach Möglichkeit schon während des Studiums, zum Beispiel bei interessanten Seminaren, Gedanken um das Thema Ihrer Masterarbeit!

Wenn das Thema feststeht, geht es zunächst darum, die passenden Suchbegriffe zu definieren und die Auswahl zu schärfen. Testen Sie viele Formulierungen und Kombinationen und nutzen Sie die Suchlogik der verwendeten Datenbank oder von Google Scholar. Nach und nach sollten sich bei Ihrer Recherche die zentralen Werke Ihres Gebietes abzeichnen, denn auf diese werden Sie immer wieder stoßen. Haben Sie die grundlegenden Papers identifiziert, dann recherchieren Sie unbedingt, wo der vorliegende Artikel zitiert wird. Mit den Papers, die die entdeckte Grundsatzarbeit selbst zitiert, sollten Sie sich nur befassen, wenn der Hintergrund von Belang ist und nicht den Rahmen sprengt. Achten Sie auch auf die Journaltitel. Diese können bei allfälliger weiterführender Forschung von Interesse sein. Vermeiden Sie auf jeden Fall, nur teilweise passende Artikel in Ihrer Auswertung aufzuführen, um eine gewünschte Seitenzahl rasch zu erreichen. Die Qualität Ihrer Arbeit wird darunter leiden und Ihrem Gutachter wird die Absicht nicht verborgen bleiben.

Die relevanten Artikel stapeln sich auf dem Bürotisch. Was nun?

Haben Sie alle wichtigen Materialien gefunden und gesichtet, dann geht es darum, die verschiedenen Dimensionen und Ansichten, sowie die angewendeten Methoden zu verstehen und in verschiedene Strömungen oder Denkschulen einzuteilen. Halten Sie sich ein Publikum vor Augen, das mit den wichtigsten Texten vertraut ist und wiederholen Sie nicht einfach die Kernpunkte von jedem Paper! Versuchen Sie Mehrwert zu bieten. Kein Paper wird Ihre exakte Fragestellung behandeln, da Ihre Arbeit andernfalls überflüssig wäre. Beziehen Sie die vorhandenen Erkenntnisse also auf Ihr Thema, bewerten Sie die Methodologien und Datenlage kritisch und identifizieren Sie Lücken im vorhandenen Wissen. Fassen Sie die Artikel nach der Richtung ihrer Argumentation in Gruppen zusammen und unterstreichen Sie Widersprüche und Kontroversen im Feld!

Die Literaturauswertung sollte mit einem Abschnitt enden, der das vorhandene Wissen, das für Ihre Hypothese relevant ist, zusammenfasst und aufzeigt, wo noch Fragen offen sind. Machen Sie dem Leser Appetit darauf, in den restlichen Kapiteln Ihrer Arbeit mögliche Antworten zu entdecken!

Wann Google Scholar, wann nicht?

google-scholarGoogle Scholar ist beim Einstieg in ein Themenfeld oft die erste Anlaufstelle. Es ist bei Studenten beliebt, wird aber bisweilen auch von Forschenden verwendet. Die Anwendung hat viele Vorteile und einige Nachteile. Ob es das richtige Instrument ist, hängt von den Umständen und der Zielsetzung der Recherche ab. Wer dieses Werkzeug richtig einsetzen kann und weiß, wann es mit den fachspezifischen, meist kostenpflichtigen Datenbanken mithalten kann, der kann damit durchaus effizient ans Ziel kommen.

Es lohnt sich, die Vor- und Nachteile im Hinterkopf zu behalten.

 Die Vorteile von Google Scholar

  • Es ist nicht auf ein Fachgebiet beschränkt. Wer sich über die ökonomischen Auswirkungen verschiedener Waldbewirtschaftungssysteme informieren möchte, findet über Google Scholar eher das richtige Gedankenfutter, als wenn eine naturwissenschaftliche Datenbank verwendet wird, oder eine, die ausschließlich auf Ökonomie fokussiert ist.
  • Das Repertoire ist enorm. Nicht nur publizierte Artikel, die den Peer Review Prozess durchlaufen haben, sind indiziert. Auch Bücher, Konferenzbeiträge, Dissertationen, White Papers, Rezensionen und weitere Materialien stehen zur Verfügung. Grundsätzlich kann alles, was im weitesten Sinne akademisch ist, seinen Weg in die Trefferliste finden.
  • Google weiß das eine oder andere über Suchmaschinen. Folglich ist die Oberfläche benutzerfreundlich und intuitiv gestaltet, was leider nicht auf alle wissenschaftlichen Datenbanken zutrifft. Die Sortierung der Trefferliste schafft es eher als manch konkurrierender Algorithmus, relevante Treffer nach oben zu bringen. Die Qualitätsgarantie und Relevanz, die von Menschenhand platzierte Tags erreichen, kann das System aber nicht bieten. Links zu Artikeln, die einen gegebenen Text zitieren, sowie zu „ähnlichen Artikeln“ erlauben es, sich zu den zentralen Werken des Fachs „durchzuhangeln“. Zudem ist der Zugang kostenlos und von überall her möglich.

 Die Nachteile gegenüber anderen Datenbanken

  • Der kostenlose Zugang und die große Materialmenge, die durchsucht werden kann, bilden allerdings auch gleichzeitig den schwerwiegendsten Nachteil. Vielfach stehen nur Abstracts zur Verfügung. Um den vollen Text einsehen zu können, ist dann doch der Zugriff über die Universitätsbibliothek oder deren Kanäle nötig.
  • Bibliothekskataloge geben im Gegensatz zur Internetsuchmaschine die Gewissheit, dass Artikel auch wirklich vorhanden sind, dass sie zum Fachgebiet gehören, wissenschaftlichen Standards genügen und von reputablen Verlagen nach eingehender Prüfung publiziert wurden.
  • Von Bibliothekaren oder Datenbankspezialisten gesetzte Stichworte können die Recherche erheblich erleichtern und die Trefferzahl deutlich einschränken. Den Umgang mit dieser Technik zu erlernen und die besten Stichworte zu kennen braucht jedoch etwas Übung. Von Menschen festgelegte Stichworte fehlen bei Google Scholar ganz. Wer sich zu sehr auf diese Anwendung verlässt, beraubt sich der Gelegenheit, sich mit dem alternativen Ansatz vertraut zu machen.
  • Google legt die Quellen nicht offen, die als wissenschaftlich betrachtet und die folglich von Google Scholar durchsucht werden. Ebenso ist der Sortieralgorithmus ein Firmengeheimnis. Unter diesen Voraussetzungen ist die Relevanz der Treffer lediglich anekdotisch einzuschätzen. Über die Vollständigkeit der Suchresultate kann man sich nicht sicher sein.

Verschiedene Untersuchungen haben versucht, Google Scholar einerseits und Bibliothekskataloge oder akademische Datenbanken andererseits in der Realität gegeneinander antreten zu lassen. Obwohl es Ausreißer gibt, kommt die Mehrheit der Studien zum Schluss, dass Google Scholar eine weniger komplette und weniger relevante Ausbeute liefert. Jedenfalls, wenn es von ausgebildetem Personal der Universitätsbibliotheken verwendet wird. Lässt man hingegen Studenten ran, so sind die Resultate beider Suchstrategien von vergleichbarer Qualität. Die Intuition bestätigt sich: Studenten, die zum Beispiel für eine Seminararbeit recherchieren müssen und ihr Fachgebiet erst oberflächlich kennen, finden über Google Scholar rasch und mühelos adäquates Material. Für Profis, die bereits mit der Literatur ihres Bereichs, den relevanten Suchbegriffen, den wichtigsten Quellen und den einflussreichsten Autoren vertraut sind, für die überwiegen die Vorteile eines besser strukturierten Suchvorgangs.

Egal, welches Werkzeug verwendet wird, es macht immer Sinn, sich mit den jeweiligen „Tipps und Tricks“ vertraut zu machen. Google Scholar liefert, wie jede Suchanwendung, deutlich bessere Resultate, wenn die Möglichkeiten der erweiterten Suche, der Suchoperatoren und der Verlinkungen klug genutzt werden.

Suchen Sie noch, oder forschen Sie schon?

gather-information-for-researchInformationen finden, die Relevanz erkennen, in seinem Feld auf dem Laufenden bleiben – kurz: das Lesenswerte aus der Informationsflut herauspicken. Dies sind Aufgaben, die jedem Forschenden vertraut sind. Entsprechend hat jeder seine persönlichen Strategien entwickelt, um daneben möglichst viel Zeit für die eigene Forschung übrig zu haben. Und trotzdem bleibt oft das Gefühl zurück, die Arbeitseffizienz in diesem Bereich nicht hoch genug schrauben zu können. Nagen die Sortier- und Leseaufgabe zu sehr am Zeitbudget, oder fehlt die Sicherheit, die wirklich wichtigen Artikel gefunden zu haben, so kann es sich lohnen, das eigene Vorgehen zu überdenken und neue Wege auszuprobieren.

Liefern lassen statt selber suchen
Sich neue Artikel zustellen zu lassen, dafür gibt es zahlreiche Möglichkeiten: Wer die für sich relevanten Stichworte genau definiert hat, der kann über verschiedene Datenbanken oder Suchmaschinen leicht einen RSS Feed oder eine E-Mail Benachrichtigung abonnieren und über Publikationen mit den richtigen Schlüsselworten informiert werden. Beispielsweise bietet Google Scholar diese Option. Eine elegante Methode, um die Trefferzahl einzuschränken und die Relevanz zu erhöhen, sind Programme wie PubChase. Diese basieren auf dem selben Prinzip, das etwa bei Apps für Musikempfehlungen verwendet wird: Die Liste der Vorschläge wird aus den bereits gelesenen Artikel abgeleitet, sowie aus der Bibliothek von „ähnlichen“ Nutzern. Sie kann auch durch manuelle Eingaben noch verfeinert werden. Eine weitere Möglichkeit besteht in Benachrichtigungen über Publikationen, die ein besonders relevantes Werk zitieren, beispielsweise über Web of Science. Schließlich kann man sich von den relevantesten Journals über die Liste der neuen Artikel in jeder neu erschienenen Ausgabe informieren lassen.

Die Übersicht behalten
In Benachrichtigungen zu versinken ist jedoch kaum besser, als unter Suchresultaten begraben zu werden. Zeit für eine Aufräumaktion! Benachrichtigungen oder Feeds, die sich als wenig nützlich herausgestellt haben, zu löschen oder anzupassen ist ein offensichtlicher Schritt – und wird doch zu oft unterlassen. Erscheinen die relevanten Artikel immer in den selben Journals? So zuverlässig, dass man andere Quellen vernachlässigen kann? Gibt es fachspezifische Datenbanken, die zielgerichtetere Resultate liefern? Ist der Grundsatzartikel, dessen Zitate verfolgt werden, noch aktuell? Entwickelt sich vielleicht gerade eine neuere Publikation zum „Standardwerk“?

Auch lohnt es sich, seine Stichworte systematisch zu überprüfen. Die Liste dieser Schlüsselwörter wird meist im Lauf der Forschungsarbeit „einfach so“ mental gesammelt und ergänzt. Dabei werden hilfreiche Optionen leider oft verkannt. Sich mit den fortgeschrittenen Suchoptionen der bevorzugten Suchmaschine oder Datenbank vertraut zu machen, kann echte Vorteile bringen! Kommen mehrere Suchwörter nur in Kombination vor? Gibt es Synonyme? Sind auch andere Worte mit demselben Wortstamm relevant? Will ich wirklich über Artikel informiert werden, die mein Suchwort im Volltext, nicht aber im Abstract beinhalten? Genau, alles schon mal gehört! Aber verwenden Sie wirklich die bestmögliche Suchkonfiguration? Besonders in jungen Disziplinen sollte auch beachtet werden, dass sich die Terminologie im Laufe der Zeit anpassen oder verfeinern kann. Und nicht nur die Terminologie, auch der individuelle Forschungsfokus entwickelt sich oft weiter.

Je länger, desto automatischer?
Für Forscher ist es essentiell, Abstracts querlesen zu können, die Spreu vom Weizen zu trennen, die wichtigen Journals und Konferenzen zu kennen und in der Informationsflut navigieren zu können. Anzeichen dafür, dass diese Fähigkeiten bald obsolet sein werden, gibt es leider keine. Im Wettlauf zwischen mehr und schnelleren Publikationen einerseits und entsprechenden Dienstleistungen und hilfreichen Programmen andererseits, scheinen sich letztere gegenwärtig auf einer Aufholjagd zu befinden. Es lohnt sich also, die Augen nach neuen Möglichkeiten offen zu halten und die eigenen Routinen gezielt zu hinterfragen!