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Akadelypse – Umbrüche im akademischen Publikationsbetrieb

Acadelypse NowWer sich mit den Strukturen in der Welt der Forschung und des akademischen Publizierens beschäftigt, der begegnet einem Wort unangenehm oft: „kaputt“. Tatsächlich scheint einiges aus den Fugen geraten zu sein: Forschende müssen ihre Ellenbogen einsetzen, um an Budgets und Positionen zu kommen. Profitorientierte Verlage streichen Gewinne ein, die letztlich von der öffentlichen Hand berappt werden. Ein Peer Reivew kann Monate dauern und die Flut an schlechten Papers, Konferenzen und Journals macht es schwierig, den Überblick zu behalten. Die schwierige Situation resultiert, weil gleich mehrere Eckpfeiler der Forschung außer Balance gekommen sind, die Störfelder verstärken sich gegenseitig. Verschiedene Neuerungen tun also Not. Die Problemfelder voneinander zu trennen und einzeln anzugehen ist schwierig. Die gute Nachricht? Tatsächlich sind Änderungen im Gang und neue Modelle in der Testphase!

Der Impact Factor

Kritik: Diese Kennzahl ist ein Dorn im Auge vieler Akademiker, denn sie ist etwa gleichermaßen verbreitet wie verhasst. Ihre Aussagekraft für einzelne Artikel ist beschränkt.

Vorteil: Die Leistungen von Akademikern lassen sich quantifizieren, ohne dass ihre Arbeit wirklich gelesen werden muss.

Alternative: Raffiniertere Kennzahlen wie der Eigenfactor beheben einige methodische Probleme, gehen aber nicht die zugrundeliegende Problematik an.

Open Access Ansatz: Downloadzahlen individueller Papers könnten den Impact Factor ergänzen.

Konkurrenz um Slots in prestigeträchtigen Journals

Kritik: Themen mit breitem Publikum finden Anklang; Artikel, die an den Grundfesten einer Disziplin rütteln werden nicht immer gern gesehen.

Vorteil: Die Leserschaft eines hochwertigen Titels spart Zeit und kann sich einer gewissen Mindestqualität sicher sein.

Alternative: Vermehrt machen sich kleinere Journals mit sehr spezifischem Fokus und einer engeren Leserschaft einen Namen.

Open Access Ansatz: Wird jedes Paper veröffentlicht, so kann jede Idee ein Publikum finden. Vorteilhaft wäre auch, dass Artikel mit „verworfener Hypothese“ vermehrt den Schritt in die Öffentlichkeit finden könnten.

Unfaire Profite für kommerzielle Verlagshäuser

Kritik: Akademische Verlage verkaufen Leistungen, die sie nicht finanziert haben und privatisieren die resultierenden Gewinne.

Vorteil: Das Schema, wonach vielzitierte Journals aus einem großen Pool von angebotenen Artikeln die Rosinen picken können und dafür vom Leser hohe Preise verlangen, erspart der Leserschaft die Zeit, die nötig wäre, um sich aus dem gesamten Artikeluniversum selbst eine Leseliste zusammenzustellen.

Alternative: Nicht-profitorientierte Verlage, zum Beispiel von Fachgesellschaften getragene, konkurrieren bereits heute mit den Größen der Industrie.

Open Access Ansatz: Papers werden für den Leser kostenlos zur Verfügung gestellt.

Schlechtes oder langsames Peer Review

Kritik: Unbezahlte Peer Reivew Aufgaben überfordern die Reviewer, der Prozess wird von einigen Journals nicht seriös betrieben; der Ablauf ist schwerfällig und zeitaufwändig.

Vorteil: Die Qualität, Authentizität und Verlässlichkeit eines Papers sollte nach dem Peer Review garantiert sein.

Alternative: Ein Gedankenexperiment (das aber nicht nur auf Gegenliebe stößt) schlägt vor, Reviewer für ihre Dienste zu bezahlen, damit sie sich genügend Zeit dafür nehmen können.

Open Access Ansatz: Post Publication Review ist ein Ansatz, bei dem alle Leser zu Reviewern werden, indem sie Kommentare hinterlassen können, die eine Überarbeitung des Artikels nach sich ziehen können.

Hohe Publikationskosten durch physische Journals

Kritik: Der Druckvorgang ist kosten- und zeitaufwändig.

Vorteil: Gedruckte Journals gehen nach wie vor mit einem gewissen Prestige einher. Zudem entspricht das physische Produkt den Vorlieben einiger Leser.

Alternative: Auch „klassische“ Verlage können zur Onlinepublikation wechseln, ohne ihr Geschäftsmodell anderweitig zu verändern.

Open Access Ansatz: Open Access Titel sind weitgehend Onlinepublikationen ohne Druckerpressen.

Die großen Probleme des Publikations- und Forschungsbetriebes werden nicht isoliert gelöst werden können. Für fast alle Problembereiche stehen momentan verschiedene neue Ansätze zur Debatte. Ob sich die Open Access Idee in allen Bereichen mit wehenden Fahnen durchsetzen wird, darf bezweifelt werden. Offensichtlich scheint aber, dass die klassischen akademischen Verlage sich auf grobe Umwälzungen gefasst machen müssen. Um diese zu überstehen, werden sie eigene Alternativen anbieten müssen. Entwicklungen in den verschiedenen Themenkreisen bedeuten, dass sich die traditionsreiche Branche momentan stark bewegt. Es wir spannend sein zu sehen, welche Richtung die Publikationslandschaft letztlich einschlägt.

Räuberische Journals und ihre dilettantischen Täuschungsversuche

publish-fakeDie Fakten sind längst auf dem Tisch und mittlerweile ist jedem Akademiker klar: Es gibt Journals, die besonderen Wert auf eine große, breite Leserschaft und atemberaubende Inhalte legen. Es gibt Titel, die sich dem wissenschaftlichen Fortschritt verschrieben haben. Und dann gibt es die Raubtiere unter den Journals. Wider jeglicher Moral, Täuschungsversuche inludiert. Gegen Bezahlung veröffentlichen sie eigentlich alles. Publikationsgebühren, die der Autor zu berappen hat, stehen kaum Ausgaben gegenüber, es entsteht ein hübscher Profit. Autoren können der nächsten Bewerbung eine zusätzliche Publikation beifügen und kommen damit manchmal durch, schaden bei Entdeckung aber ernsthaft ihrer Karriere.

Neue Journals erblicken nicht zuletzt aufgrund der Kosteneinsparungen des elektronischen Publizierens schon fast täglich das Licht der Welt, stehen jedoch erst einmal im Generalverdacht, nur aufs Geld aus zu sein. In besonderem Maß trifft dies auf Open Access Titel zu, denn was eine echte Innovation bedeuten könnte, muss sich gegenwärtig mühsam aus der Schattenwelt heraus kämpfen. Forschende, die schon längst Mühe haben, auf dem aktuellsten Stand zu bleiben, müssen neben echten Papers zusätzlich viel Wertloses durchkämmen. Wissenschaftler mit echten neuen Erkenntnissen sind gezwungen, mehr Recherche zu betreiben, um die schädlichen Journals vermeiden zu können. IIFS verkauft mittlerweile sogar gefälschte Impact Factors. Für alle Beteiligten sind die Graubereiche zwischen Journals mit wissenschaftlichem Gehalt und Publikationsfabriken ohne Review und ohne wirkliche Redaktion eine düstere Angelegenheit. Einfache Lösungen wird es nicht geben. Um der Situation dennoch eine (wenn auch minimale) positive Seite abzugewinnen, beschäftigen wir uns nachfolgend mit den komödiantischen Stilblüten und Absurditäten, die die Raubtierjournals uns bieten. Jene Titel also, die sich niveaumässig weit unterhalb des Graubereichs tummeln.

  • Ein Journalist hat ein gelinde gesagt nicht ganz problemfreies Paper angefertigt. Zu drei Vierteln aus direkten Plagiaten. Jeweils zur Hälfte aus einem Paper über Bodenqualität und einem über Blutstrukturen, mit einer Bibliographie aus der Önologie und Grafiken aus der Astronomie. Die seismischen Blutplättchen hat er gleich selber erfunden, ebenso die Wüste, auf welche sich sein Artikel bezieht, seine angebliche Universität und seinen Koautor. Resultat? Aus 18 angeschriebenen Journals waren nach dem „Review“ nur zwei nicht mit einer sofortigen Veröffentlichung einverstanden, eines bot sogar an, nötige Änderungen gleich selbst vorzunehmen. Und dann gab es für den „Autoren“ noch ein Jobangebot als Redaktor.
  • In einem ähnlichen Experiment (diesmal wurden Krebs heilende Substanzen in Flechten „entdeckt“) fand sich unter der Hälfte der 350 angeschriebenen Publikationen, die den Druck des schlechten, offensichtlich erfundenen Artikels gerechtfertigt sahen, das Journal of Experimental & Clinical Assisted Reproduction. Bleibt zu hoffen, dass die Redaktion nicht wirklich einen Zusammenhang zwischen Reproduktion, Krebs und Flechten erkennt!
  • Ein spitzbübischer Streich wurde einem akademischen Verlag vom Durchführenden dieses Experiments gespielt. Im veröffentlichten, gedruckten Text findet sich der Satz: „Dies wird wohl kein Reviewer jemals lesen.“ Wie wahr!
  • Das Center for Promoting Ideas, welches mehrere Journals veröffentlicht, hat offensichtlich seinen Namen zur amerikanischen Schreibweise geändert, nachdem die britische Variante „Centre“ trotz Adresse in New York eine Vielzahl an Statements hervorgerufen hatte. Der Chefredaktor mit dem etwas verdächtigen Namen „Dr. John Smith, Jr.“ durfte allerdings bleiben. (Falls Sie Interesse an einem Redaktorenposten haben: Das CPI sucht zur Zeit noch Kollegen für Dr. Smith!)
  • Das International Journal of Arts and Commerce teilt sich seine Adresse mit einem Büro, welches internationale Geldtransfers anbietet. Merkwürdig, nicht?
  • Ein weiterer Kandidat, der deutliche Probleme mit der Rechtschreibung, aber auch mit Copyright Gesetzen hat, ist The International Journal of Science and Technoledge (ja, Technolegde…). Ein Auszug aus der betreffenden Website: „Licensed under Creative Commons, protected by Copyscape, do not copy“. Zu deutsch: „Kopieren erlaubt, bitte nicht kopieren!“

Die Liste könnte fast beliebig fortgesetzt werden, denn zu schmunzeln gibt es im Wilden Westen der akademischen Publikationen so einiges. Wirklich lustig ist der Stand der Dinge aber eindeutig nicht. Leider bleibt den Autoren, Lesern und Entscheidungsträgern bei Einstellungen und Fördergeldvergaben daher nur eines übrig: Jeden Artikel und jedes Journal, welches auf ihrem Schreibtisch landet, einzeln zu evaluieren. Die Probleme sind dabei allerdings nicht immer so offensichtlich wie bei den obigen Beispielen. So war Open Access eigentlich nicht gedacht.

Wie viel sollte ein Autor für die Publikation seines Artikels bezahlen?

Forschungsresultreal cost of scientific publishingate zu erzielen kostet Schweiß und Tränen, sie an den Mann zu bringen kostet harte Euros. Wenn Journals Kostendeckung und Profit durch Verkaufsgebühren erzielen, dann befinden sich Käufer in einer schwachen Verhandlungsposition. Bibliotheken haben den Auftrag, die wichtigste Forschung zugänglich zu machen und haben daher bei der Kaufentscheidung wenig Freiheit. Hinzu kommt die Bündelung von Titeln, die es oft unmöglich macht, auf einzelne Journals zu verzichten. Entsprechende Vertragsklauseln verbieten es Käufern üblicherweise, Einkaufspreise publik zu machen. In diesem intransparenten und wenig offenen Markt sind die Grenzen der Preissetzung erst da erreicht, wo Verlage Boykotte und koordinierte Aktionen gegen sich provozieren. Beim Open Access Konzept hat der Autor hingegen die Möglichkeit, die Publikationsgebühr und die Leistung (in Form von Prestige, Impact Factor oder Breite und Qualität der Leserschaft) gegeneinander abzuwägen. Wie viel sollte also ein Autor bezahlen? Auf wie viele Euro pro Artikel kommt man mit der Formel „Kosten plus ein Bisschen“?

Bei einem Journal gehen zahlreiche Artikel ein. Die Redaktion muss Zeit aufwenden, um eine Auswahl zu treffen, auf Plagiate zu prüfen und anschließend den Review Prozess zu organisieren. Die kostenlos erstellten Gutachten und Kommentare müssen durchgegangen und Änderungen mit dem Autor koordiniert werden. Dieser Prozess verursacht bei klassischen Journals etwa 40% der Kosten, bei schlanker strukturierten Open Access Onlinejournals sind es 60%. Hinzu kommen Aufwände für Layout, je nach Format für Druck, Serverplatz (oder beides), Archivierung, Administration, Verkauf und Marketing. Was kostet das pro veröffentlichten Artikel? Laut einer informellen Umfrage liegt die Antwort irgendwo zwischen 250 Euro im Fall von Ubiquity Press und 35.000 Euro bei Nature.

Nein, kein Druckfehler. Laut eigenen Aussagen arbeiten einige Titel tatsächlich 140 mal günstiger, als andere.

Angesichts der Geheimniskrämerei von profitorientierten akademischen Verlagen und den folglich spärlichen Informationen über ihre Kostenstrukturen wollen wir uns einige Kostenindikatoren ansehen:

  • Die Max-Planck-Gesellschaft bestreitet mit einem jährlichen Budget von 1,5 Milliarden Euro ihre gesamten Aktivitäten (nicht nur die reine Forschung) und bringt im selben Zeitraum über 15.000 publizierte Artikel hervor. Dies ergibt eine Obergrenze von 100.000 Euro Durchschnittskosten pro Artikel. Können und sollen die Auslagen für die Publikation tatsächlich einen Drittel des Forschungsbudgets betragen?
  • Bei 12 Artikeln pro Ausgabe entstehen der Nature Publishing Group Kosten von 420.000 Euro. Die teuerste Art von nichtakademischen Magazinen, nämlich jene, die auf investigativen Journalismus konzentriert sind, kosten in der Herstellung etwa 850.000 Euro pro Ausgabe. Ein weiterer Zeitschriftentypus kann Inhalte günstiger (jedoch nicht kostenlos) einkaufen: Kommunikationsmittel von NGOs. Publikationen dieser Kategorie übernehmen ähnliche Aufgaben wie akademische Zeitschriften: Koordination, Layout, Druck und Administration. Bei einem mit Nature vergleichbaren Seitenumfang und Hochglanzauftritt beträgt das Budget hier etwa 250.000 Euro. Angesichts ihrer Aufgaben scheinen sich die Topjournals auf dieser Kostenskala nicht sehr günstig zu positionieren.
  • arXiv.org vertritt ein alternatives Review Modell, bei dem nicht von einer Redaktion ernannte Personen, sondern die Leser selbst die Rolle der Kritiker und Kommentatoren übernehmen. Einen Artikel ohne vorheriges, formales Review hier zu veröffentlichen, verursacht Kosten von etwa 5 Euro pro Artikel.
  • Viele Open Access Titel haben neben den Veröffentlichungsgebühren noch andere Einnahmequellen, einige erheben vom Autor keinen finanziellen Beitrag. Ihre Preise können deshalb nur als untere Grenze für die wahren Kosten dienen. Dennoch: Die teuersten Open Access Journals verlangen Gebühren von ca. 3.500 Euro pro Artikel. Von fünfstelligen Beträgen ist bislang nichts bekannt!

Elitejournals rechtfertigen höhere Kosten und höhere Verkaufspreise mit mehr Artikeln, die erst nach dem Peer Review abgelehnt werden. Dadurch wird das Journal teurer, gleichzeitig steigt aber die Qualität und die Exklusivität. Hinzu kommen einige Zusatzleistungen wie Kommentare, News oder andere Rubriken in den Heften, sowie die Premiumqualität von Layout und Druck. Ob hinter den hohen Kosten aber wirklich primär zusätzliche Leistungen stehen, bleibt fragwürdig. Exorbitante Margen und ineffiziente Abläufe scheinen wahrscheinlichere Preistreiber. Ebenso bleibt fragwürdig, ob die Zusatzleistungen überhaupt gefragt sind. Im Mindesten lässt sich sagen, dass Open Access Journals mit niedrigen Gebühren nicht zwingend schlechtere Journals sind. Autoren, die bereit sind, sich den Bedingungen von Open Access zu stellen, seien angehalten, sich sehr genau zu überlegen, welche Angebote in der schönen neuen Journalwelt das bieten, was sie wirklich suchen und brauchen. Und was es kostet.

Die Zukunft akademischer Monographien

scholarly-monographsHarmonisch ist die Beziehung zwischen Wissenschaft und Profit nur selten und akademische Monographien stecken gerade besonders tief in der Beziehungskrise. Der Forschungsaufwand und der Kreis potentiell interessierter Leser steht eben nicht im gleichen Verhältnis wie beim letzten Stieg Larsson Knaller, und zwar nicht erst seit gestern. Auch nicht erst, seit das Internet die Welt des akademischen Publizierens auf den Kopf gestellt hat. Im 18. Jahrhundert mussten Wissenschaftler Verlage bisweilen mit handfesten Deals ködern: Oft waren 50 Verträge nötig, in denen Berufskollegen, Freunde oder Gönner garantierten, das gedruckte Buch zu kaufen, bevor die Presse angeworfen wurde. Der Aufstieg der Wissensgesellschaft hat Monographien zwischenzeitlich zum profitablen Produkt werden lassen, in den 1980ern konnten Verlage allein von Seiten der Bibliotheken mit einer Nachfrage von 2’000 Stück pro Titel rechnen.

Mehr Output

Die Konkurrenz um die Gunst des Lesers nimmt weiterhin zu. Im Bereich der Literaturwissenschaften beispielsweise nimmt die Anzahl an Publikationen dreimal schneller zu, als die Anzahl an Professuren. Mehr Akademiker, die mehr Material produzieren, ein gutes Zeichen für die Wissenschaft. Die Krux liegt in folgender Frage: Für wie viele und welche Leser? Der Markt für Monographien ist eingebrochen. Bibliotheksbudgets schrumpfen und werden immer öfter für Journals aufgewendet. Nicht mehr 50% der Budgets stehen für Bücher zur Verfügung wie in den 70er Jahren, sondern 15%.

Wer wird’s lesen?

Nach Jahren der Forschung und Recherche freut sich der angehende Professor sicherlich darauf, sein eigenes Buch in Händen halten zu können, ebenso aber auf viele Zitate und auf den ultimativen Karriereschub. Nun, bei mittlerweile durchschnittlich noch 200 Exemplaren, die sein Verlag an Universitätsbibliotheken absetzten kann, und einer noch geringeren Stückzahl, die von Privatleuten oder anderen Institutionen erworben wird, sind seine Aussichten deutlich trüber als vor zwei Jahrzehnten. Hingegen ist die Wahrscheinlichkeit höher, auf Subventionen angewiesen zu sein.

Wenn die Erfolgsgeschichte der Journals tatsächlich wesentlich am Niedergang der Monographien beteiligt ist, dann lässt sich vielleicht deren Entwicklung kopieren. Nichts wird diesbezüglich heißer diskutiert als den Open Access Ansatz auch auf Monographien anzuwenden und elektronische Publikationsformen zu testen. Dieser Ansatz basiert aber auf der Annahme, dass die Leserschaft momentan von erschwertem Zugang und hohen Preisen abgeschreckt wird, nicht von der Textform. Die Vorteile von Journalartikeln gegenüber Büchern sollten jedoch nicht von der Hand gewiesen werden: sie sind verdichteter, flexibler, schnell verfügbar, aktueller, stärker ins Forschungsfeld eingebunden und interaktiver.

Die Bedürfnisse der Leserschaft bedenken

Die Rettung der Monographie hängt von zwei Entwicklungen ab. Einerseits können Bücher der veränderten akademischen Leserschaft angepasst werden. Eine verstärkte Strukturierung in Kapitel und Unterkapitel, optimierte, schnellere Prozesse in den Verlagen und die Such- und Verweisoptionen des digitalen Formates sind Beispiele dafür.

Andererseits steht dem akademischen Buch eine Diskussion noch bevor, die bezüglich Journals schon längst angebrochen ist: Wie wichtig sollten Publikationen und Prestige für die Karriere sein? Ist es optimal, wenn in allen Feldern der Geisteswissenschaften die Veröffentlichung eines Buches implizit vorausgesetzt wird, um sich für wichtige Beförderungen ins Spiel zu bringen? Der Schritt vom Buch zum Artikel könnte unter bestimmten Voraussetzungen und in einigen Fächern angemessen sein, in anderen überwiegen nach wie vor die Vorteile der Tiefe und Breite einer Monographie. Um Anpassungen da zu erlauben, wo sie sinnvoll sind, müssten sich aber über Jahrhunderte geformte Erwartungshaltungen langsam aufweichen. In Deutschland ist der Einbezug von Drittmitteln besonders häufig. Ideale Voraussetzungen, um Aufwand und akademischen Ertrag zum Thema zu machen! Zudem liegt hierzulande der Fokus stärker auf dem Erkenntnisgewinn als auf kommerziellem Erfolg. Um so wichtiger ist es, eine Diskussion um die Bedürfnisse des Lesers in Gang zu bringen, wenn die Arbeit von Jahren nicht allein im Lob der eigenen Familie beim Weihnachtsessen kumulieren soll.

Das älteste Verlagshaus der Welt lanciert ein neues Open Access Journal

royal-society-open-scienceDie Royal Society steht kurz vor dem 350. Jubiläum ihrer ersten Publikation und darf sich somit als ältester noch existierender akademischer Verlag bezeichnen. Fast zeitgleich mit dem Jubiläum wagt das Haus den Sprung in die Zukunft: Die Royal Society lanciert einen weiteren Open Access Titel, welcher Forschern naturwissenschaftlicher Disziplinen offen stehen wird. In der entsprechenden Pressemitteilung spricht der Verlag verschiedene Schwächen des klassischen Publikationsmodells an und erklärt, wie diesen mit dem neuen Titel „Royal Society Open Science“ entgegengewirkt wird.

  • Der vordringlichste Punkt betrifft die teils fragwürdigen Kriterien, die ein Artikel erfüllen muss, um in einem Topjournal veröffentlicht zu werden (auch Publikationen der Royal Society selbst sind gemeint). Hierfür muss die Forschung ein aktuelles und viel diskutiertes Thema behandeln und möglichst spektakuläre Resultate liefern. Es gibt aber auch wichtige Arbeiten abseits des Scheinwerferlichts. Oftmals offenbart sich die wahre Brisanz erst nach einiger Zeit, die Arbeit ist nur in einer kleinen Nische relevant, oder die Redaktoren verkennen schlicht die Wichtigkeit des Themas. Auch negative Resultate, bei denen die Forschungsthese nicht bestätigt wird, beinhalten mitunter interessante Erkenntnisse und wertvolle Daten. Schließlich gibt es Themen, die sich nicht auf die übliche Seitenzahl reduzieren lassen. Solche Artikel lassen sich im klassischen Publikationsbetrieb nur schwer vermarkten. Sie unveröffentlicht zu lassen, beraubt die akademische Gemeinschaft aber der enthaltenen Informationen. Die neu geschaffene Plattform kreiert deshalb einen offeneren, weniger exklusiven und zugänglicheren Raum.
  • Auch wenn der Verlag diesen Punkt nicht explizit erwähnt: Experimente im Bereich Open Access sind willkommen. Die Leserschaft kostenlos mit Inhalten zu bedienen, ist ein interessantes und wichtiges Ziel. Ein universales, optimales Geschäftsmodell konnte sich hierfür noch nicht herauskristallisieren und es existiert womöglich auch nicht. Erfahrungen damit zu sammeln, wie sich das neue Journal auf die übrige Produktpalette des Verlags auswirkt, kann möglicherweise einen Beitrag zur Klärung leisten.

Open Access schließt im Fall Royal Society Open Science auch in Arbeiten verwendete Daten ein. Diese stehen für weiterführende Forschung oder für die Replikation von Resultaten zur Verfügung.

  • Effizienz ist in mehr als einer Hinsicht Trumpf: Nicht nur, dass das Onlineformat die Druckkosten einspart, sondern es kommt auch ein sogenanntes Cascading Peer Review zum Einsatz. Dies betrifft Artikel, die ursprünglich für andere Journals der Royal Society Familie eingereicht wurden, die den Qualitätsansprüchen genügen, die jedoch nicht exakt ins jeweilige Programm passen. Beispielsweise aus oben genannten Gründen. Im Normalfall werden solche Artikel nach einem mehrmonatigen Prozess abgelehnt, worauf die Autoren versuchen werden, sie bei einem besser geeigneten Titel zu platzieren. Dort wird das Peer Review von anderen Experten durchgeführt und beginnt folglich bei Null. Neu können betreffende Artikel an Royal Society Open Science weitergegeben werden, die Doppelspurigkeit beim Review entfällt.
  • Die Plattform regt zu einer neuen Form des Reviews an, bei welcher Kollegen und Leser Kommentare zu publizierten Artikeln abgeben können, welche gegebenenfalls zu einer Revision führen. In Anbetracht der Kritik, die das Peer Review System momentan erfährt, ist dies eine interessante Entwicklung. Dass ein solch bedeutendes Verlagshaus die Idee als Ergänzung zum klassischen Peer Review aufgreift, wird ebenfalls zu neuen Einsichten über diese Variation des Publizierens führen.

Auch bei der American Association for the Advancement of Science, dem Herausgeber des Journals Science, steht die Lancierung eines Open Access Titels bevor. Das neue Journal wird Science Advances heißen. Ob und in welcher Form Open Access den akademischen Forschungsbetrieb als Ganzes beeinflussen wird, bleibt abzuwartem. In der Zwischenzeit darf sich die akademische Gemeinde auf einfachere, zugängliche und vor allem auf mehr Inhalte freuen.