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Eine Hand zitiert die andere

Citation MafiaDass Redaktoren mehr als nur einen verstohlenen Blick für den Impact Factor ihres Journals übrig haben, ist bekannt. Kaum ein Titel, der ohne konkrete Strategie auskommt, um die eigene Publikation im Ranking nach oben zu rücken. Die gewählten Methoden reichen vom begrüßenswerten Streben nach echten Qualitätsverbesserungen, über reine Marketingmaßnahmen, hin zu Auswahlverfahren, die populäre Artikel gehaltvollen vorziehen. Am untersten Ende der Skala finden sich leider auch Mittel, die mehr als nur ein abschätziges Stirnrunzeln verdienen: Es kommt vor, dass Redaktoren Autoren dazu nötigen, frühere Ausgaben des Ziel-Journals zu zitieren.

Leider keine Seltenheit

„Schwarze Schafe”, denken Sie? „Gibt es doch in jeder Industrie! Sind bestimmt die Raubtierjournals, die nur aufs schnelle Geld aus sind.” Weit gefehlt, die Realität ist düsterer. Eine vielbeachtete Umfrage aus dem Jahr 2012 hat ans Licht gebracht, dass einer von fünf Autoren aus den Bereichen Wirtschaftswissenschaften und Psychologie schon mit der Praxis der erzwungenen Zitate konfrontiert worden ist. Für einige Journals kursieren gar konkrete Zahlen für die Mindestmenge solcher sogenannter Selbstzitate, welche die Redaktion sehen möchte. Schockierend auch, mit wie wenig Furcht vor Entdeckung die Redaktoren an ihrem Netzwerk von Selbstzitaten spinnen, respektive spinnen lassen: Die ungerechtfertigte Aufforderung, zusätzliche Zitate einzubauen oder andernfalls mit einem ablehnenden Publikationsentscheid rechnen zu müssen, wird nicht selten völlig offen mittels einer schnöden E-Mail an den potentiellen Autoren herangetragen.

Laut der genannten Umfrage wären die Hälfte der befragten Forschenden laut eigener Aussage widerwillig bereit, erzwungene Zitate in ihre Artikel aufzunehmen, wenn dadurch die Publikation möglich wird. Neun von zehn Wissenschaftlern zweifeln an der Integrität Ihrer Kollegen und gehen davon aus, dass diese solchen Forderungen nachkommen würden.

Gegenmaßnahmen

Die Folgen sind klar: Die Zeit der Leser wird verschwendet, die Qualität der Artikel nimmt ab und der Impact Factor lädt sich ein weiteres Imageproblem auf den Buckel. Zeichen einer plötzlichen Wiederentdeckung der Ethik sind auf Redaktionsstuben und in Forschungslabors momentan leider nicht auszumachen. Dennoch gibt es eine bestechend simple Lösung, die der schmutzigen Praxis ohne großen Aufwand einen Riegel vorschieben könnte: Analysen und Studien, welche den Impact Factor verwenden, greifen oft zur Maßnahme, Selbstzitate „herauszurechnen“. Thomson Reuters, dem Herausgeber des Impact Factors, stehen die nötigen Daten für eine solche Übung zur Verfügung. Was spricht also dagegen, Selbstzitate generell zu ignorieren und damit die schlechten Anreize aus dem System zu entfernen? Die Herren über den Impact Factor haben sich für einen Mittelweg entschieden: Sie berechnen den Impact Factor für jedes Journal mit und ohne Selbstzitate und schließen die schlimmsten Missetäter komplett aus dem Ranking aus; so wird es beispielsweise vom Indian Journal of Physics gehandhabt. Dieses bringt es immerhin auf 83% Zitate aus dem eigenen Heft. Diese Lösung wirkt auf den ersten Blick sinnvoll, immerhin gibt es legitime Gründe für Selbstzitate, haben doch Artikel mit ähnlichem Fokus eine gewisse Wahrscheinlichkeit, im selben Journal unterzukommen. In der Praxis scheint das Vorgehen jedoch angesichts der Umfragewerte eher zahnlos zu bleiben. Strengere Richtlinien für Selbstzitate oder gleich auf die Linie von DORA einschwenken und den Impact Factor gar nicht mehr beachten: Die eine oder andere Form von Unterstützung könnte die bröckelnde Forschungsethik auf jeden Fall gebrauchen.

Räuberische Journals und ihre dilettantischen Täuschungsversuche

publish-fakeDie Fakten sind längst auf dem Tisch und mittlerweile ist jedem Akademiker klar: Es gibt Journals, die besonderen Wert auf eine große, breite Leserschaft und atemberaubende Inhalte legen. Es gibt Titel, die sich dem wissenschaftlichen Fortschritt verschrieben haben. Und dann gibt es die Raubtiere unter den Journals. Wider jeglicher Moral, Täuschungsversuche inludiert. Gegen Bezahlung veröffentlichen sie eigentlich alles. Publikationsgebühren, die der Autor zu berappen hat, stehen kaum Ausgaben gegenüber, es entsteht ein hübscher Profit. Autoren können der nächsten Bewerbung eine zusätzliche Publikation beifügen und kommen damit manchmal durch, schaden bei Entdeckung aber ernsthaft ihrer Karriere.

Neue Journals erblicken nicht zuletzt aufgrund der Kosteneinsparungen des elektronischen Publizierens schon fast täglich das Licht der Welt, stehen jedoch erst einmal im Generalverdacht, nur aufs Geld aus zu sein. In besonderem Maß trifft dies auf Open Access Titel zu, denn was eine echte Innovation bedeuten könnte, muss sich gegenwärtig mühsam aus der Schattenwelt heraus kämpfen. Forschende, die schon längst Mühe haben, auf dem aktuellsten Stand zu bleiben, müssen neben echten Papers zusätzlich viel Wertloses durchkämmen. Wissenschaftler mit echten neuen Erkenntnissen sind gezwungen, mehr Recherche zu betreiben, um die schädlichen Journals vermeiden zu können. IIFS verkauft mittlerweile sogar gefälschte Impact Factors. Für alle Beteiligten sind die Graubereiche zwischen Journals mit wissenschaftlichem Gehalt und Publikationsfabriken ohne Review und ohne wirkliche Redaktion eine düstere Angelegenheit. Einfache Lösungen wird es nicht geben. Um der Situation dennoch eine (wenn auch minimale) positive Seite abzugewinnen, beschäftigen wir uns nachfolgend mit den komödiantischen Stilblüten und Absurditäten, die die Raubtierjournals uns bieten. Jene Titel also, die sich niveaumässig weit unterhalb des Graubereichs tummeln.

  • Ein Journalist hat ein gelinde gesagt nicht ganz problemfreies Paper angefertigt. Zu drei Vierteln aus direkten Plagiaten. Jeweils zur Hälfte aus einem Paper über Bodenqualität und einem über Blutstrukturen, mit einer Bibliographie aus der Önologie und Grafiken aus der Astronomie. Die seismischen Blutplättchen hat er gleich selber erfunden, ebenso die Wüste, auf welche sich sein Artikel bezieht, seine angebliche Universität und seinen Koautor. Resultat? Aus 18 angeschriebenen Journals waren nach dem „Review“ nur zwei nicht mit einer sofortigen Veröffentlichung einverstanden, eines bot sogar an, nötige Änderungen gleich selbst vorzunehmen. Und dann gab es für den „Autoren“ noch ein Jobangebot als Redaktor.
  • In einem ähnlichen Experiment (diesmal wurden Krebs heilende Substanzen in Flechten „entdeckt“) fand sich unter der Hälfte der 350 angeschriebenen Publikationen, die den Druck des schlechten, offensichtlich erfundenen Artikels gerechtfertigt sahen, das Journal of Experimental & Clinical Assisted Reproduction. Bleibt zu hoffen, dass die Redaktion nicht wirklich einen Zusammenhang zwischen Reproduktion, Krebs und Flechten erkennt!
  • Ein spitzbübischer Streich wurde einem akademischen Verlag vom Durchführenden dieses Experiments gespielt. Im veröffentlichten, gedruckten Text findet sich der Satz: „Dies wird wohl kein Reviewer jemals lesen.“ Wie wahr!
  • Das Center for Promoting Ideas, welches mehrere Journals veröffentlicht, hat offensichtlich seinen Namen zur amerikanischen Schreibweise geändert, nachdem die britische Variante „Centre“ trotz Adresse in New York eine Vielzahl an Statements hervorgerufen hatte. Der Chefredaktor mit dem etwas verdächtigen Namen „Dr. John Smith, Jr.“ durfte allerdings bleiben. (Falls Sie Interesse an einem Redaktorenposten haben: Das CPI sucht zur Zeit noch Kollegen für Dr. Smith!)
  • Das International Journal of Arts and Commerce teilt sich seine Adresse mit einem Büro, welches internationale Geldtransfers anbietet. Merkwürdig, nicht?
  • Ein weiterer Kandidat, der deutliche Probleme mit der Rechtschreibung, aber auch mit Copyright Gesetzen hat, ist The International Journal of Science and Technoledge (ja, Technolegde…). Ein Auszug aus der betreffenden Website: „Licensed under Creative Commons, protected by Copyscape, do not copy“. Zu deutsch: „Kopieren erlaubt, bitte nicht kopieren!“

Die Liste könnte fast beliebig fortgesetzt werden, denn zu schmunzeln gibt es im Wilden Westen der akademischen Publikationen so einiges. Wirklich lustig ist der Stand der Dinge aber eindeutig nicht. Leider bleibt den Autoren, Lesern und Entscheidungsträgern bei Einstellungen und Fördergeldvergaben daher nur eines übrig: Jeden Artikel und jedes Journal, welches auf ihrem Schreibtisch landet, einzeln zu evaluieren. Die Probleme sind dabei allerdings nicht immer so offensichtlich wie bei den obigen Beispielen. So war Open Access eigentlich nicht gedacht.