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Wie die prestigeträchtigsten Journals der Wissenschaft schaden

over-promoting-researchDas Spektrum von Publikationsmodellen, die akademische Fachzeitschriften nutzen, ist breit. Am untersten Ende finden sich die raubtierhaften Journals und die sogenannte „vanity press“. Diese höchst unseriösen Journals verlangen vom Autor eine Publikationsgebühr und drucken fast ohne Qualitätskontrolle praktisch jeden eingereichten Artikel. Im Open Access Bereich gibt es aber andererseits auch geachtete und seriöse Titel. Einige davon finanzieren sich ebenfalls über Autorengebühren, manche haben andere Einnahmequellen erschlossen. Teilweise erscheinen diese Journals in gedruckter Form, meist nur online. Klassischerweise finanzieren sich Wissenschaftsverlage aber über Abonnentengebühren, die in der Realität überwiegend von Universitätsbibliotheken bezahlt werden. Obwohl die Arbeit der Bibliothekare und die beschränkten Budgets eine gewisse Qualität garantieren, so finden sich doch auch in dieser Kategorie immer wieder dubiose Titel, deren Peer Review Prozess den Namen nicht verdient. Eine Gefahr für die Wissenschaft wittert man unabhängig vom Finanzierungsmodell sofort am unteren Ende der Hackordnung.

Mit Hochglanz voraus!

Tatsächlich haben aber auch die prestigeträchtigen Top-Journals mit ihren Hochglanzcovern zu einer Verzerrung geführt, die dem Forschungsbetrieb nicht dienlich ist. Titel und Verlage wie Nature, Science und Cell stehen momentan besonders im Kreuzfeuer der Kritik. Die Pflege des Impact Factors (also die Anzahl Zitate, mit denen Autoren rechnen dürfen) erfordert eine breite Leserschaft. Das disziplinenübergreifende Publikum interessiert sich aber bisweilen eher für Gesprächsstoff für die nächste Cocktailparty als für Grundlagenforschung in einem relativ fremden Fach. Neben der ungesunden Fokussierung darauf, die Bedeutung eines Journals numerisch darzustellen, ist auch ein übermäßig breites Themengebiet problematisch – die Kombination von beidem führt auf einen besonders glitschigen Pfad.

Ein weiterer Faktor ist das Platzproblem. In einer wissensbasierten Gesellschaft steigt der Forschungsoutput von Jahr zu Jahr. Die bedeutendsten drei Journals können aber per Definition bloß drei Stück sein. Und deren Seitenzahl steigt nicht. Was also passiert mit dem zunehmenden Reservoir an Forschungsresultaten, die den Schnitt nicht geschafft haben? Natürlich kann die Leserschaft die Zeit nicht unbegrenzt erhöhen, die sie darauf verwendet, um auf dem Laufenden zu bleiben. Doch mehr Publikationen mit verifizierter Qualität würden die Gelegenheit bieten, den Fokus enger zu setzen und so in der eigenen Nische schneller voranzukommen. Online Publikationen machen es möglich, ohne großen Druckaufwand mehr Artikel zu veröffentlichen. Sie gefährden damit aber ihre eigene Exklusivität. Gut für die Wissenschaft, schlecht für den Verlag.

Dazu kommt, dass sich das System selbst verfestigt. Am leichtesten lässt sich vorhersagen, ob es ein Artikel in eine Top-Zeitschrift schafft, indem man den Autor fragt, ob er schon einmal in der American Economic Review, im Journal of Political Economy oder im Journal of American History veröffentlicht hat (ja, das „Phänomen Hochglanz“ gibt es auch außerhalb der Naturwissenschaften, auch wenn sich die Diskussion dort gerade am heftigsten zuspitzt). Wer mehr oder minder zufällig zu Beginn seiner Forscherkarriere die Gelegenheit hat, mit einem einschlägigen Autor zusammenzuarbeiten, der steigert seine Chancen auf eigene Publikationen enorm. Mit allen Konsequenzen in Bezug auf Beförderungen und Forschungsbudgets.

Reißerisch und dennoch gefährlich konservativ

Trotz ihrem Hang zu reißerischen, kontroversen Themen kann es schwierig sein, wirklich bahnbrechende Artikel in Luxusjournals platziert zu bekommen. Eine Studie konnte belegen, dass Mäuse grundlegend anders auf bestimmte Medikamente reagieren als Menschen. Selbst auf solche, für die Tests an Mäusen vorgeschrieben sind. Verständlicherweise wollte sich das Autorenteam damit an eine möglichst breite Leserschaft wenden. Sowohl Science als auch Nature kamen zum Schluss, dass die Erkenntnisse der Studie nachvollziehbar und korrekt seien. Und lehnten den Artikel dennoch ab, der doch solch offensichtliche Relevanz für weite Teile der Pharmaforschung hat. Da beide Verlage eine Stellungnahme ablehnen, kann über ihre Gründe nur spekuliert werden. Ob schlicht ein konservativer Grundgedanke verhindert, dass am Fundament gerüttelt werden darf – an den elementarsten, etablierten Annahmen, auf denen zahlreiche zuvor publizierte Artikel aufbauen?