Schlagwörter Archiv: Fast Track

Peer Review im Schnelldurchgang: Mehr Effizienz, weniger Qualität oder Abzockerei?

peer_reviewPeer Review ist praktisch synonym mit dem Vorgang des akademischen Publizierens selbst. Folglich werden die Schwächen der aktuellen Praxis oft hier geortet. Das System scheint keiner Seite wirklich gerecht zu werden: Die Reviewer stehen unter erheblichem Zeitdruck. Retuschierte Daten und schludrig durchgeführte Experimente gehen immer häufiger in Druck, was an den Qualitätsstandards zweifeln lässt. Autoren warten Monate, manchmal über ein Jahr auf das Urteil der Fachjury. Der wissenschaftliche Fortschritt wird unverhältnismäßig verzögert, zudem kommt es öfter als nötig dazu, dass an Fragen gearbeitet wird, deren Antworten andernorts bereits als Manuskript vorliegen. Dennoch sagen 91% der Autoren, dass ihr zuletzt publizierter Artikel durch die Rückmeldungen der Kollegen verbessert werden konnte. Letztlich ist das Peer Review System alternativlos.

Modifikationen und Optimierungen

Eine Variation davon besteht in einer Art interaktivem Urteil nach der Publikation. Dabei können Leser eines Artikels diesen kommentieren und damit die Arbeit der Reviewer ergänzen oder ersetzten. Eine anderer Ansatz geht davon aus, dass Reviewer eher die Möglichkeit haben, die nötige Zeit zu investieren, wenn sie für ihre Arbeit bezahlt werden. Eine dritte Option basiert darauf, dass abgelehnte Artikel meist bei einem zweiten Journal eingereicht werden, wo sie ein erneutes Review durchlaufen. Einige Verlagshäuser versuchen daher momentan, gesammelte Kommentare zwischen verschiedenen Journals des eigenen Hauses wiederverwertbar zu machen. Eine weitere Möglichkeit konzentriert sich darauf, den gesamten Ablauf effizienter zu gestalten und aus der binären Ja/Nein-Entscheidung der Redaktoren eine Triage zu machen. Die Rede ist von einem selektiv beschleunigten Review im sogenannten „Fast Track“.

So geht es 4-mal schneller

Dabei besteht die Option, einen Artikel abzulehnen, ihn nach dem normalen, eher schwerfälligen Prozess zu veröffentlichen, oder aber ihm besondere Priorität einzuräumen um ihn schneller zu veröffentlichen. Oft lässt sich die Dauer von der Einreichung bis zum Druck (oder der elektronischen Veröffentlichung) auf einen Drittel oder sogar einen Viertel der normalen Zeitspanne verkürzten. Dies wird möglich gemacht, indem einige Artikel zuoberst auf dem Tisch der Reviewer landen, indem diesen weniger Zeit eingeräumt wird, und indem Druckseiten vorzeitig reserviert werden. Um Artikel für diese Spezialbehandlung zu küren, gibt es zwei Möglichkeiten. Einige Journals, darunter Nature, entscheiden sich, die Presse bei sehr brisanten Themen oder besonders gehaltvoller Forschung eher anzuwerfen. Häufiger aber bieten Verlage diese Option zum Verkauf an. Gegen ein Gebühr lässt sich dann der Artikel noch vor dem Bewerbungsverfahren für die anvisierte Professur in Händen halten. Bei Journals, die eine Publikationsgebühr vom Autor verlangen, steigt diese bei „Expressbestellung“ üblicherweise um etwa 25%.

Schneller, nicht schlechter

Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob unter erhöhtem Zeitdruck überhaupt noch eine sinnvolle Überprüfung der Inhalte möglich ist, und ob durch die Beschleunigung die Probleme der Reviewer nicht noch akzentuiert werden. Anekdotisch gibt es keine Hinweise auf eine weniger gute Überprüfung von Fast Track Artikeln, der Anteil von nach dem Review abgelehnten Artikeln bewegt sich im normalen Rahmen. Der Nobelpreis für Physik des Jahres 2001 wurde aufgrund eines Papers verliehen, das seinen Review in nur zwei Tagen durchlaufen hat! Eine wirklich systematische Untersuchung zum Thema steht aber noch aus. Sicher ist, dass der Prozentsatz von Artikeln, denen eine Sonderbehandlung zukommen kann, per Definition eine Obergrenze hat. Klar ist auch, dass zwar die Problematik des Autors, nicht aber die des Reviewers angegangen wird. Fast Track Reviews machen in gewissen Situationen Sinn. Auf der Suche nach einer umfänglichen und grundsätzlichen Verbesserung des Systems sind aber die anderen genannten Optionen erfolgversprechendere Kandierten.